Die Kraft des geschriebenen Wortes
Schreiben in Zeiten Künstlicher Intelligenz – das ist ein Thema, das uns alle betrifft. Egal, ob in der Schule, im Studium oder im Beruf: Wir schreiben immer seltener selbst und überlassen die Formulierung unserer Gedanken oft einem mehr oder weniger intelligenten Chatbot. Doch ich frage mich: Ist das wirklich sinnvoll? Ist es das, was wir wollen?
Ich war schon immer ein Mensch der Worte. Schon als junges Mädchen griff ich fast täglich zum Tagebuch und verarbeitete meine Erlebnisse in Worten, die ich auf Papier brachte. Später kamen Gedichte dazu, bei denen es mir in erster Linie darauf ankam, dass sich alles reimte – der Sinn war da eher zweitrangig. Auch wenn ich in der Pubertät und als junge Erwachsene das Schreiben etwas vernachlässigte, ging es mir nie ganz verloren. Seit ich denken kann, träume ich davon, ein eigenes Buch zu veröffentlichen. Vielleicht mache ich mir jetzt endlich genug Druck, indem ich das hier schriftlich und öffentlich festhalte ...
Nach meiner Maturaarbeit, in der ich mich mit deutsch- und französischsprachiger Poesie auseinandersetzte, selbst Gedichte verfasste und sie sogar bei einem Gedichtabend vortrug, brauchte ich erst einmal eine Schreibpause. Zurück fand ich dazu durch eine Knieverletzung, die mich körperlich flachlegte. Einerseits, weil ich meine Hände noch einwandfrei bewegen konnte und andererseits, weil ich einfach eine Menge zu verarbeiten hatte. Selten hat mir das Schreiben so gutgetan wie in dieser Phase, und seither habe ich es nie wieder losgelassen. Und das ist, unglaublich, im Februar 2026 bereits zehn Jahre her. Meine bisher längste und intensivste Zeit – vor allem, was das Tagebuchschreiben betrifft.
Doch was ist eigentlich der Mehrwert eines Tagebuchs – und damit des geschriebenen Wortes?
Für mich ist dieses simple Tool ein unglaublich kraftvolles Werkzeug. Ich erkläre dir, warum:
1. Es verlangsamt den Denkprozess.
Wenn ich von Hand schreibe, kann meine Hand einfach nicht so schnell mithalten, wie meine Gedanken durch die Gehirnbahnen rasen. Ich muss einen Gedanken mehrmals denken, umdenken, neu formulieren, bis er endlich sichtbar vor mir auf dem Papier steht. Diese Entschleunigung zwingt mich zur Präzision und Klarheit.
2. Es macht Gedanken sichtbar.
Meine Gedanken nicht nur im stillen, inneren Monolog zu hören, sondern sie schwarz auf weiss vor mir zu sehen, hat einen ganz anderen Effekt. Plötzlich werden sie wahr und greifbar. Das gelesene Wort wirkt oft viel nachhaltiger als das nur gedachte – denn ich nehme es mit mehreren Sinnen wahr.
3. Es schärft die Wahrnehmung.
Wenn ich mich mehrmals schriftlich mit einem Thema auseinandersetze, meine Stimmungen und Gefühle dazu zu Papier bringe, verändert das meine Wahrnehmung im Alltag. Nicht unbedingt positiv oder negativ, sondern vielmehr in Bezug auf meine Aufmerksamkeit. Ich nehme plötzlich Dinge bewusster wahr, die meine Gedanken bestätigen oder hinterfragen. Und manchmal denke ich mir: "Darüber will ich heute Abend in mein Tagebuch schreiben."
Diese Kraft des geschriebenen Wortes ist nicht nur in meinem persönlichen Leben ein treuer Begleiter, sondern auch ein zentraler Pfeiler in meinen Coachings. Egal, ob es um Fragen, Ziele, Gefühle oder andere Erkenntnisse geht – meine Devise lautet immer: "Bitte schreib das mal auf!" Warum, kannst du dir jetzt sicher denken: Denkprozess verlangsamen, Sichtbarkeit erhöhen, Wahrnehmung verändern.
Klar, es gibt Hunderte von cleveren Tools und Interventionen, die den Coaching-Erfolg unterstützen können. Aber für mich gibt es nach wie vor nichts Wertvolleres, Ehrlicheres und Wirksameres als einen Stift und ein leeres Blatt Papier. Probier es aus.